Im Rahmen einer Ehescheidung wird in Bezug auf den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt geprüft, ob eine sogenannte «lebensprägende Ehe» vorliegt, d.h. eine Rollenteilung innerhalb der Ehe, bei welcher ein Ehepartner (meist die Ehefrau) seine Erwerbstätigkeit aufgegeben hat, um sich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern. Dabei galt bislang nach Bundesgericht, dass diesem Ehepartner die (erneute) Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht mehr zumutbar ist, wenn er im Zeitpunkt der Scheidung das 45. Altersjahr bereits erreicht hat.
Mit dieser Regelung hat das Bundesgericht im Urteil BGer 5A_104/2018 vom 2. Februar 2021 nun gebrochen: Neu ist grundsätzlich stets von der Zumutbarkeit einer Erwerbsarbeit auszugehen, soweit eine solche Möglichkeit tatsächlich besteht und keine Hinderungsgründe vorliegen wie zum Beispiel die Betreuung kleiner Kinder. Es sind stets die tatsächlichen Verhältnisse des konkreten Einzelfalls und damit insbesondere auch weitere Kriterien zu berücksichtigen (Alter, Gesundheit, bisherige Tätigkeiten, persönliche Flexibilität, Arbeitsmarktlage, etc.).
Diese Entwicklung ist grundsätzlich zu begrüssen, erlaubt sie doch das Eingehen auf den konkreten Einzelfall und die Abweichung von starren Regeln. Eine vertiefte rechtliche Beratung hierbei ist stets empfehlenswert.